Wintersemester 2023/24
© 2023 Prof. Dr. Rüdiger W. Braun
Zwei diskrete Zufallsvariable $X$ und $Y$ sind stochastisch unabhängig, wenn für alle möglichen Werte $k$ und $m$ \begin{equation*} P(X=k, Y=m) = P(X=k) \cdot P(Y=m) \end{equation*}
Ein Beispiel, wo die Unabhängigkeit auf eine subtile Weise nicht gegeben war
import scipy
anzahl_gesamt = 70*69*68*67*66*65*64
anzahl_gesamt
6041824588800
anzahl1234567 = 7**7
anzahl1234567
823543
anzahl1111111 = scipy.special.factorial(7)
anzahl1111111
5040.0
P1234567 = anzahl1234567 / anzahl_gesamt
P1234567
1.363070026108733e-07
P1111111 = anzahl1111111 / anzahl_gesamt
P1111111
8.341850919245278e-10
P1234567 / P1111111
163.4013888888889
Die Gewinnwahrscheinlichkeit des Loses mit der Nummer 1234567 ist mehr als 160 mal so groß wie die des Loses mit der Nummer 1111111
Die Zufallsvariablen
sind stochastisch nicht unabhängig
Wenn die erste Kugel eine 1 zeigt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die zweite das auch tut, kleiner als die Wahrscheinlichkeit, dass die zweite eine 2 zeigt.
bezeichnet man als bedingte Wahrscheinlichkeit von $A$ unter der Hypothese $B$
= \frac{P(E_{m80} \cap E_{m50})}{P(E_{m50})}
= \frac{0.365}{0.919}
= 0.397 $$
= \frac{P(E_{w80} \cap E_{w50})}{P(E_{w50})}
= \frac{0.566}{0.958}
= 0.591 $$
Hypothese: Eine Frau erreicht ihren hundersten Geburtstag
Hypothese: Es wurden Spuren von Blut im Stuhl gefunden
Hypothese: Patient ist krank
Hypothese: Patient wurde positive getestet
Hypothese: Person ist geimpft
Für unabhängige $ A $ und $ B $ lautet die Produktformel $$ P(A \cap B) = P(A) \cdot P(B) $$
Sind $ A $ und $ B $ genau dann unabhängig, wenn $$ P(A|B) = P(A) $$
Bekannt:
Gesucht: totale Wahrscheinlichkeit $P(A)$
\begin{align*} P(A) &= P(A \cap B) + P(A \cap B^c) \\ &= P(A | B) \cdot P(B) + P(A | B^c) \cdot P(B^c) \\ &= P(A | B) \cdot P(B) + P(A | B^c) \cdot (1-P(B)) \end{align*}Bekannt:
Gesucht: bedingte Wahrscheinlichkeit $P(B|A)$ $$ P(B|A) = \frac{P(A|B) \cdot P(B)}{P(A)} $$
In den 1960-er Jahren wurden Röntgenreihenuntersuchungen durchgeführt. Beispielhafte Daten:
Zufällig herausgegriffener Proband
Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit \begin{align*} P(A) &= P(A|B) \cdot P(B) + P(A|B^c) \cdot P(B^c) \\ &= 0.94 \cdot 0.002 + 0.01 \cdot 0.998 \\ &= 0.00188 + 0.00998 \\ &= 0.01186 \end{align*}
1.186% aller Probanden verlassen die Untersuchung mit einem Verdacht,
aber nur 0.2\% aller Probanden sind krank
Mit welcher Wahrscheinlichkeit wird ein Kranker nicht endeckt?
"Falsch negativer Befund": Krankheit übersehen $$ P(A^c|B) = 1 - P(A|B) = 1 - 0.94 = 0.06 $$ Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kranker für gesund gehalten wird, beträgt 6%
Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist eine Verdachtsdiagnose falsch?
"Falsch positiver Befund": Krankheit zu Unrecht diagnostiziert \begin{align*} P(B^c | A) &= 1 - P(B|A) \\ &= 1 - \frac{P(A|B) \cdot P(B)}{P(A)} \\ &= 1 - \frac{0.94 \cdot 0.002}{0.01186} \\ &= 1 - 0.1585 \\ &= 0.8415 \end{align*}
Wer mit Verdachtsdiagnose aus der Röntgenreihenuntersuchung kam, war mit nahezu 85% Wahrscheinlichkeit gesund
Mit welcher Wahrscheinlichkeit kommt es zu einer Fehldiagnose?
Das ist eine totale Wahrscheinlichkeit, nämlich \begin{align*} P(A \cap B^c) + P(A^c \cap B) &= P(A|B^c) \cdot P(B^c) + P(A^c|B) \cdot P(B) \\ &= 0.06 \cdot 0.002 + 0.01 \cdot 0.998 \\ &= 0.0101 \end{align*} Die Wahrscheinlichkeit einer Fehldiagnose beträgt 1.01%
Juwelenwespen legen Eier in Puppen anderer Insekten. Das Geschlechterverhältnis ist
Folgendes Experiment wird modelliert:
Eine Puppe wurde von zwei Juwelenwespen gestochen. Beide Wespen haben dieselbe Anzahl Eier gelegt.
Der Wahrscheinlichkeitsbaum für eine zweimal gestochene Puppe. Beide Wespen haben dieselbe Anzahl Eier gelegt.
Totale Wahrscheinlichkeiten für die zweimal gestochene Puppe
Eine Puppe wurde zweimal gestochen. Beide Wespen haben dieselbe Anzahl Eier gelegt. Mit welcher Wahrscheinlichkeit stammt ein zufällig ausgewähltes, männliches Ei von der zweiten Wespe?
Gesucht $P(B^c|A^c)$
Bekannt: $$ P(A^c) = 0.475, \qquad P(B^c) = 0.5, \qquad P(A^c|B^c) = 0.90 $$
$$ P(B^c|A^c) = \frac{P(A^c|B^c)P(B^c)}{P(A^c)} = \frac{0.90 \cdot 0.5}{0.475} = 0.947 $$Die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig ausgewähltes männliches Ei von der zweiten Wespe stammt, beträgt 94.7%
ZW \Bigm\backslash XY & AA & Aa & aa \\\hline
AA & 1 & 1/2 & 0 \\
Aa & 1/2 & 1/4 & 0 \\
aa & 0 & 0 & 0
\end{array} $$Mit der Formel für die totale Wahrscheinlichkeit \begin{align*} P(K_{AA}) &= P(K_{AA}|M_{AA} \cap V_{AA}) \cdot P(M_{AA} \cap V_{AA}) + P(K_{AA}|M_{AA} \cap V_{Aa}) \cdot P(M_{AA} \cap V_{Aa}) \\ &+ P(K_{AA}|M_{Aa} \cap V_{AA}) \cdot P(M_{Aa} \cap V_{AA}) + P(K_{AA}|M_{Aa} \cap V_{Aa}) \cdot P(M_{Aa} \cap V_{Aa}) \\ &= 1 \cdot u \cdot u + \frac12 \cdot u \cdot 2v + \frac12 \cdot 2v \cdot u + \frac14 \cdot 2v \cdot 2v \\ &= (u+v)^2 \end{align*}
Genauso: \begin{align*} P(K_{Aa}) &= 2v + 2 u \cdot w - 2 v^2 \\ P(K_{aa}) &= (v+w)^2 \end{align*}
Die Population ist im Gleichgewicht, wenn $P(K_{AA}) = P(V_{AA}) = P(M_{AA})$ usw., d. h. wenn die Hardy-Weinberg Gleichungen gelten: \begin{align*} (u+v)^2 &= u\\ 2v + 2(u \cdot w - v^2) &= 2v\\ (w+v)^2 &= w \end{align*}
Dies ist genau dann der Fall ist, wenn \begin{equation*} v^2 = u \cdot w \end{equation*}
Die Friedreich-Ataxie ist eine autosomal rezessiv vererbte Krankheit, von der ungefähr 1 Mensch unter 40000 betroffen ist. Wir wollen $u$, $v$ und $w$ bestimmen.
Also ist jeder hunderste ein Genträger dieser seltenen Erkrankung.
Die SCA (spinozerebelläre Ataxie) ist eine Ataxie, die autosomal dominant vererbt wird. Sie ist ungefähr genauso häufig wie die Friedreich-Ataxie.